Drehbuch schreiben

Es heißt immer, Bücher seien längst tot. E-Books sind dann so etwas wie Zombies – an der Grenze zum Scheintotsein, nur noch am Leben gehalten von einer fummeligen Batterie. Natürlich ist das alles Quatsch.

Vielleicht werden wirklich mehr Filme gesehen, als Bücher gelesen, am Ende ist das aber nicht so schlimm. Immerhin gelten für die Geschichten und Handlungen in Filmen genau die gleichen Regeln, wie sie für Geschichten in Büchern und am Lagerfeuer auch gelten.

Nur dass bei Drehbüchern noch einiges an Regeln für die szenische Darstellung dazu kommt. In der Regel werden Drehbücher auch nicht „from scratch“ geschrieben, sondern beruhen auf einer fertigen, durchdachten Geschichte.

Filme verschlingen immerhin unheimlich viel Geld. Und Filme dauern nur 90 Minuten.

Drehbuch schreiben: Was ist anders als Drehbuchautor?

Nicht viel, und doch alles. Auch wenn Sie einen Roman schreiben, schreiben Sie in Szenen. Sie müssen das Handlungsgeschehen, die Haupthandlung und die Nebenhandlungen, in kurzen, prägnanten und aussagekräftigen Szenen darstellen.

Sie müssen manchmal eine Menge Hintergrundinformationen und nicht beschriebene Handlungsverläufe prägnant und klar verständlich in das Handlungsgeschehen der einzelnen Szenen mit einfließen lassen. Was war vorher? Woher kommt er?

In welchem Punkt hat er seine Meinung geändert?

Wie denkt er jetzt? – Eine Szene muss oft eine Vielzahl von Fragen schlüssig und klar verständlich beantworten können.

Was beim Schreiben von Romanen manchmal etwas Nachdenken erfordert, wird beim Schreiben eines Drehbuchs zur großen Herausforderung.

Sie müssen eine Szene nicht nur mit Worten gestalten, sondern auch mit optischen Mitteln. Sie müssen in der Lage sein, die Hintergrundinformationen, die Sie in der Szene bieten wollen, oft mit optischen Mitteln klar und unmissverständlich anzudeuten.

Beim Schreiben eines Buches fällt das weg. Beim Schreiben eines Drehbuchs ist das aber Ihr tägliches Brot. Sie müssen die Wirkung von Settings, Lichtverhältnissen, Geräuschen und räumlichen Positionen kennen, und einschätzen können.

Nur weil Sie in ihrem Leben schon viele Filme gesehen haben, bedeutet das nicht, dass Sie das von vornherein können. Sie müssen sich dieses Grundlagenwissen erarbeiten – um Töne, Geräusche, Stimmungen, Lichtverhältnisse und Positionen richtig und gezielt einsetzen zu können.

Am Ende wird vielleicht der Regisseur einiges völlig verändern – damit müssen Sie leben. Immerhin ist dafür er der Fachmann, und auch der, der am Ende für das Gesamtkunstwerk die Verantwortung trägt. Aber Sie müssen ihm zumindest eine brauchbare Grundlage liefern, mit der er arbeiten kann.

Drehbuch schreiben: Geschichten für Filme entwerfen

Abgesehen von einigen Monumentalfilmen ist die übliche Länge für einen Film heute 90 Minuten. Ihre gesamte Handlung muss also sehr gerafft stattfinden.

Die Konflikte und Höhepunkte der Geschichte müssen in rascher Folge auf den Zuseher einprasseln, dürfen ihn keine Minute zur Ruhe kommen lassen, und müssen ihn ständig von einer Stimmung in die andere jagen.

Ansonsten ist der Film langweilig. Im Grunde gilt das für einen guten Roman auch, dort haben Sie aber etwas mehr Spielraum, ihn in seine eigene Gedankenwelt zu entlassen.

Während geschriebene Geschichten Vorstellungen beim Leser nur anstoßen, müssen Sie bei einem Film die Vorstellungen selbst plastisch erzeugen, und dem Zuseher vor die Nase halten.

Das muss so geschehen, dass der Zuseher sich damit identifizieren kann. Er muss richtig in den Film „hineingezogen“ werden.

Auch das ist etwas, das beim Drehbuch einfach intensiver ist, als beim Roman. Das Tempo, die Eindrücklichkeit und die Wirkung des Hintergrunds sind beim Film wesentlich ausgeprägter, als beim Buch.

Vorhanden sind sie aber bei beidem.

Ein oder zwei Drehbücher zu schreiben kann ein gutes Mittel sein, auch für das Schreiben eines Romans mehr szenisches Gefühl erlangen zu können, und danach eine viel lebendigere Darstellung und mehr Spannung und Tempo beim Verfassen von gedruckten Geschichten erreichen zu können.

Drehbücher sind eine gute Schule, auch für Romanautoren.

Drehbuch schreiben: Wie wird man überhaupt ein erfolgreicher Drehbuchautor?

Was bedeutet Erfolg? Bedeutet das, dass Ihr Drehbuch verfilmt wird? Dass Sie Millionen damit verdienen? Oder dass ein Star-Regisseur Ihr Drehbuch verfilmt?

Erfolg ist dort, wo Sie ihn definieren. Ganz ähnlich wie bei Büchern kann man auch bei Filmen nie verlässlich vorhersagen, was ein echter Erfolg wird, und was nicht.

Viele aufwendig produzierte Filme, mit hervorragenden Drehbüchern, haben am Ende dann beschämend wenig Einnahmen eingespielt.

Niemand kann sagen, woran das liegt. Und bei weitem nicht alle Filme, für die es Oscars gibt, kennt nach zehn Jahren überhaupt noch irgendjemand.

Davon abgesehen gilt aber für gute Drehbücher genau das gleiche, wie für gute Romane oder Geschichten auch. Die tragenden Teile, die die Qualität ausmachen, sind der Plot, die Prämisse und der zentrale Konflikt, sowie die Hauptfiguren und der Spannungsbogen.

Wenn sie es schaffen, ein wirklich gutes Drehbuch zu schreiben, und dabei eine interessante, wirklich sehenswerte Geschichte zu erzählen, dann sind die Chancen groß, dass vielleicht auch jemand Ihr Drehbuch entdeckt.

Mit einer lausigen Geschichte und einem schlechten Drehbuch haben Sie auf jeden Fall gar keine Chancen. Davon können Sie ausgehen.

Wenn Sie also in der Lage sind, Qualität zu produzieren, haben Sie zumindest die notwendige Grundlage für den Erfolg gelegt. Alles andere ist dann eine Sache von Glück, Kontakten oder Überzeugungskraft. Oder von all dem zusammen.

Drehbuch schreiben: Gibt es eigentlich Vorlagen für Drehbücher?

Jein. Es gibt, wie für die meisten Genres in der Literatur auch, bestimmte „Blaupausen“. Etwa die Helden-Geschichte, die Sucher-Geschichte oder die Beziehungsgeschichte. Diese „Blaupausen“ sind dadurch entstanden, dass die meisten Filme nach bestimmten Strickmustern hergestellt werden.

Diese Strickmuster haben sich über die Jahrzehnte nur unwesentlich verändert. Das hat zur Folge, dass wir unseres Zuseher in Filmen gut orientieren können, weil die meisten Filme, wenn wir sie erst einem Genre zugeordnet haben, eine klar erkennbare und immer gleiche Struktur aufweisen, die wir wiedererkennen.

Diese immer gleiche Struktur schafft Vertrauen und Orientierung. Wir können es Zuseher davon ausgehen, dass wir abschätzen können, was als nächstes kommt – wenigstens ungefähr.

Es gilt dabei: wir mögen, was wir kennen.

Drehbuch schreiben: Blaupausen

Was wir nicht kennen, verwirrt uns, macht uns Angst, und wird erst einmal abgelehnt. Wer’s also wagt, gegen die Grenzen dieser „Blaupausen“ zu verstoßen, der wird einen harten Stand haben, und vom Leser höchstwahrscheinlich mit Verachtung abgestraft werden.

Solche „Blaupausen“ gibt es übrigens auch für Romane. Auch dort gilt das gleiche – wer gegen die Genre-Grenzen verstößt, ob unbeabsichtigt oder absichtlich, der hat sein Meisterwerk mit größter Wahrscheinlichkeit in den Sand gesetzt.

Nur wenigen Autoren und nur wenigen Büchern wird es verziehen, gegen das Diktat von Hollywood zu verstoßen. Die Genres von Büchern und Filmen nähern sich übrigens in den letzten Jahren immer mehr aneinander an – das Produkt unserer multimedialen Welt, in der wir Geschichten auf ganz vielen verschiedenen Ebenen präsentiert bekommen.

Bücher müssen immer mehr sein wie Filme, damit Leser mit ihnen zurecht kommen. Werken wie Brochs „Tod des Vergil“ wäre heute keinesfalls mehr auch nur irgendein Erfolg beschieden – es sei denn als Briefbeschwerer.