Wie schreibe ich einen Roman
Immerhin lautet die Frage nicht: „Wie schreibe ich einen Bestseller?“. Das kann Ihnen nämlich niemand mit Sicherheit verraten. Dafür gibt es kein Patentrezept.
Außer vielleicht: Schreiben Sie einen wirklich guten Roman, und machen Sie alles andere richtig. Wie man einen richtig guten Roman schreibt, kann ich Ihnen hier aber immerhin verraten. Wenigstens in den Grundzügen.
Der Anfang aller Dinge
Am Anfang aller Dinge steht einmal eine ganze Menge Planung. Wenn Sie eine zündende Idee für ihre Geschichte gefunden haben, muss die Geschichte zuerst einmal entwickelt werden.
Wenn Sie – als Anfänger – der Meinung sind, Schriftsteller hätten eine Idee für eine Geschichte, setzen sich dann hin, und schreiben diese Geschichte von Anfang bis zum Ende durch: dann haben Sie ein reichlich falsches Bild. Einen Roman zu schreiben ist mehr Arbeit als nur das Schreiben allein. Bedeutend mehr Arbeit.
Selbst die Profis und die Erfolgsautoren schaffen es in den seltensten Fällen jedes Jahr ein Buch herauszubringen – Schriftsteller wie Stephen King benötigen sogar 2-3 Jahre von der ersten Idee bis zum fertigen Buch.
Geschrieben wäre so ein Buch in etwa 2-3 Wochen – es muss also wohl tatsächlich mehr Arbeit dahinterstecken. Das hat ganz sicher nichts damit zu tun, dass Erfolgsautoren faul wären: die meisten arbeiten einige Stunden täglich.
Worin besteht also nun die viele Arbeit? Beginnen wir am Anfang.
Sie brauchen eine zündende Idee. Die Idee für einen Roman muss sehr sorgfältig ausgewählt werden. Nicht jedes „was wäre, wenn“-Spiel taugt tatsächlich dazu, am Ende ein Roman zu werden.
Ob eine Idee tatsächlich verwertbar ist, zeigt sich oft erst während der Vorarbeiten für den Roman. Von hundert Ideen wirft man in der Regel erst einmal 99 weg – und das ist sogar ein guter Schnitt. Stellen Sie sich also darauf ein, dass Sie möglicherweise Ihre Idee wieder aufgeben müssen, und eine neue suchen.
An diesem Punkt haben Sie nun die Wahl, ob Sie Ihre Geschichte nach dem Plot oder nach den Figuren aufbauen. Beides ist eine Möglichkeit, beides hat seine eigenen Vor- und Nachteile.
Wählen Sie einfach die Methode, die Ihnen mehr liegt. Wenn Sie damit noch gar keine Erfahrung haben, dann versuchen Sie besser zuerst einmal die Geschichte nach dem Plot aufzubauen – das verschafft Ihnen auch erst einmal ein Gefühl dafür, wie Geschichten gestrickt sind. Oder wie man sich stricken muss.
Der zentrale Konflikt, die Prämisse und die Veränderung
Drei Dinge sollten Sie in ihrer Geschichte von vornherein unumstößlich festlegen: Wo liegt und worin besteht der zentrale Konflikt der Geschichte? Unter welcher Prämisse wird die Geschichte erzählt? Und: in welche Richtung verändert sich der Held der Geschichte bis zum Ende?
Der zentrale Konflikt ist unumgänglich, damit eine Geschichte überhaupt erzählt werden kann. Das einzige, was uns im Leben wirklich interessiert und fesselt, sind Konflikte, und wie sie ausgehen.
Das liegt nun einmal in unserer menschlichen Natur. Wir wollen wissen, wer gegen wen steht – oder kämpft – und wer am Ende gewinnt. Selbst wenn uns klar ist, dass am Ende ohnehin immer die „Guten“ gewinnen, wollen wir den Kampf trotzdem miterleben.
Wenn Sie zu der Sorte Mensch gehören, die es im Leben lieber friedlich hat, und mit Kämpfen nichts am Hut hat, sei Ihnen folgendes gesagt: Wenn es keinen Konflikt gibt, haben Sie auch nichts zu erzählen. So einfach ist das. Weil Ihnen dann nämlich niemand zuhört. Konflikte sind immer der Antrieb jeder Geschichte. Auf jeder Ebene, und während der gesamten Geschichte.
Über die Prämisse haben wir uns ganz zu Anfang schon einmal unterhalten. Die „Moral“ der Geschichte – oder die grundlegende Annahme, unter der sie erzählt wird – sind zwingend notwendig, um der Geschichte Stimmigkeit zu verleihen.
Nur wenn Sie sich immer an die Prämisse halten, wird es Ihnen gelingen, die Geschichte als einheitliches Ganzes wirken zu lassen. Alles, was die Prämisse nicht bestätigt, hat in der Geschichte nichts zu suchen. Punkt.
Um Ihrem Plot die nötigen Freiheiten zu lassen, müssen Sie die Prämisse auch immer entsprechend weit genug fassen, und Wertungen darin möglichst vermeiden. Das hilft auch dabei, zu verhindern, dass der Leser die Geschichte als irgendwie „parteiisch“ wahrnimmt. Das bekäme ihnen nämlich nicht gut.
Ein weiterer zentraler Bestandteil der Geschichte ist, dass sich die Hauptfigur der Geschichte in ihrem Verlauf markant und bedeutend verändern muss. Wir setzen einfach voraus, dass jemand, der einen schweren, bedeutenden Konflikt austragen muss, und ihn um Haaresbreite gewinnt, am Ende nicht mehr derselbe ist, der er vorher war.
Das ist eine grundlegende menschliche Erfahrung – und weil das nun einmal grundlegend in unserem menschlichen Leben so ist, muss sich das auch in jeder Geschichte wiederfinden, damit die Geschichte realistisch wirken kann. Sie müssen also festlegen, in welcher Hinsicht sich Ihre Hauptfigur im Lauf der Geschichte verändern wird – und wohin.
Die Figuren
Wenn Sie schon einmal soweit sind, dann wissen Sie zumindestens, um welchen zentralen Konfliktes in Ihrer Geschichte geht, und wer gegen wen kämpft.
Sie haben zumindest schon einmal eine Idee, wer ihr Protagonist und wer ihr Antagonist sein könnte. Für die Haupthandlung werden Sie aber noch weitere Figuren benötigen. Legen Sie fest, wer noch alles mitspielt, und in welcher Position.
Dazu sollte jede der Hauptfiguren möglichst noch einen eigenen Konflikt zu lösen oder zu bewältigen haben, und sich bis zum Ende der Geschichte in mehr oder weniger deutlicher Weise verändern.
Wenn Sie mit der Haupthandlung fertig sind, müssen Sie die Nebenhandlungen gestalten, die parallel zur Haupthandlung ablaufen. Dafür werden Sie in der Regel dann noch weitere Figuren benötigen, die Sie in den Nebenhandlungen einbauen werden.
Erstellen Sie auch diese Figuren mit sehr viel Sorgfalt, denn gerade in den Details entscheidet sich sehr oft über Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit der Geschichte. Wenn eine Figur, die auch nur einen einzigen Auftritt in der ganzen Geschichte hat, nicht hundertprozentig plausibel ist, droht das die ganze Geschichte zu kippen. Achten Sie darauf.
Wenn Sie so weit sind, dann haben Sie zumindest einmal das Grundgerüst für ihre Geschichte gestaltet. Nun müssen Sie nur noch den Verlauf der Geschichte festlegen: in der ersten Phase steigert sich die Dramatik für den Protagonisten langsam und in Schüben bis zur Krise, danach kommt es zur Wende, dann zum finalen Kampf und schlussendlich zur Antiklimax – der Entspannung nach dem Höhepunkt.
Diese Phasen der Haupthandlung teilen Sie danach möglichst plausibel in Szenen ein, wobei das Tempo innerhalb der einzelnen Szenen bis zur Krise zunehmen sollte, zwischen Krise und Wende etwas langsamer werden sollte, und dann zum zentralen Kampf hin noch einmal stark beschleunigt werden sollte.
Dasselbe machen sie nicht nur mit der Haupthandlung, sondern auch mit allen Nebenhandlungen.
Wenn Sie dann die Figuren in ihren Charakterzügen festgelegt haben, und Szenerie sowie Hintergrund ausreichend geplant haben, können sie tatsächlich mit dem Schreiben beginnen.
Sie werden während des Schreibens Ihren Plot immer wieder verändern, anpassen und verfeinern müssen – in einigen Situationen werden Sie ihn wahrscheinlich sogar grundlegend ändern müssen. Das alles gehört zum Schreiben eines Romans dazu – das ist ganz normal. Nur so geht es.
Alternative: Die Figuren leben lassen
Die Alternative zur klassischen Arbeit am Plot ist, die Figuren so deutlich und lebendig zu gestalten, dass sie ihre Taten und Handlungen praktisch von selbst begehen, weil sie gar nicht anders können.
Sie brauchen dann nichts zu tun, sondern nur Ihren Figuren zuzusehen, und sie handeln zu lassen, wie sie handeln. Die Geschichte entwickelt sich dann von ganz allein.
Dieser Weg empfiehlt sich aber nur für Erfahrene, und auch da nicht für jeden. Sie können nicht von vornherein sagen, wo die Geschichte am Ende hinführen wird – das birgt auch das Risiko, dass die Geschichte an einem Punkt mittendrin einfach stecken bleibt, weil die Hauptfiguren sich einfach weigern, ihre Konflikte weiter auszutragen.
Sie müssen dann zurück zum Anfang gehen, und Ihre Hauptfiguren so umgestalten, dass sie diesen Abbruchpunkt umschiffen. Das bedeutet eine Menge Arbeit, und immer wieder große Veränderungen am Text. Es kann aber eine spannende Art zu schreiben sein, und eine sehr lebendige, glaubwürdige Art zu erzählen.
Versuchen Sie das einfach einmal an einer kürzeren Geschichte, dann bemerken Sie den Unterschied.